Freunde finden im Erwachsenenalter – Tipps für Introvertierte
Die Schule ist vorbei, der Wohnort gewechselt, das erste Kind geboren … Im Erwachsenenalter kommen viele neue Ereignisse zusammen, die alte Freundschaften trennen. Plötzlich ist der Weg zu weit, die Zeit zu knapp, der Alltag ein ganz anderer. Und dann fehlt etwas. Der Austausch über gemeinsame Interessen, das Um-die-Häuser-ziehen, die langen Gespräche.
Neue Freunde zu finden, ist als erwachsener Mensch eine Herausforderung. Im Beitrag erfährst du, woran das liegt und wie du am besten vorgehst, wenn du dich auf die Suche nach neuen Freundschaften begibst.
Warum ist es so schwer, als Erwachsener Freunde zu finden?
Menschen im Erwachsenenalter tun sich besonders schwer darin, neue Bekanntschaften zu machen und Freundschaften zu schließen. Die eigenen Gründe zu kennen kann schon ein erster wichtiger Schritt sein. So kann man die eigenen Umstände bei der Suche berücksichtigen und Strategien entwickeln, um dennoch Freundschaften schließen zu können.
Es gibt viele Gründe, warum besonders Erwachsene Schwierigkeiten damit haben, Freunde zu finden und Freundschaften langfristig zu halten:
👉 Der Wechsel von Schule zu Arbeit: In der Schul- und Studienzeit gab es an jeder Ecke die Möglichkeit, Gleichgesinnte zu treffen, mit ihnen Zeit zu verbringen und schließlich Freundschaften daraus wachsen zu lassen. Kaum ein Job bietet die gleichen Möglichkeiten. Zudem gibt es auch viele Menschen, die grundsätzlich nicht mit ihren Kolleg:innen befreundet sein wollen.
👉 Der Bewegungsradius verkleinert sich: In jungen Jahren kommt man ganz schön rum. Man durchläuft unterschiedliche Ausbildungsstationen, besucht Kurse, Ferienlager und unterschiedlichste Veranstaltungen. Im Erwachsenenalter nehmen diese Aktivitäten häufig ab oder entfallen ganz.
👉 Die Mobilität verändert sich: Fahrten im Nachtbus, Radtouren, gemeinsame Heimfahrten mit dem Schulbus. So anstrengend die Fortbewegung in jungen Jahren auch so manches Mal war – sie hat einen ganz schön zusammengeschweißt. Kaum genießt man den Komfort eines eigenen Autos, isoliert man sich von diesen Gelegenheiten.
👉 Andere Freundeskreise sind gesättigt: Viele Freundeskreise sind in jungen Jahren entstanden und haben sich bis ins Erwachsenenalter gefestigt. Neuzugänge sind da nicht immer willkommen. Zudem braucht es längere Zeit, bis man sich nicht mehr als der oder die Neue fühlt.
👉 Partnerschaft und Familie bestimmen den Alltag: Man kennt es, der beste Freund hat eine neue Freundin und schon verschwindet er von der Bildfläche. Die Prioritäten verschieben sich, wenn eine neue Liebe ins Leben tritt. Kommen Kinder hinzu, bleibt nur noch wenig freier Raum für Freizeit und Freundschaft. Egal ob es einen selbst betrifft oder die Menschen im eigenen Umfeld: die veränderte Lebenssituation im Erwachsenenalter erschwert die Freundschaftspflege.
👉 Wir werden wählerischer: ich erinnere mich an die Zeit im Dorfclub – ein bunter Haufen junger Menschen mit unterschiedlichen Interessen, Werten und Erfahrungen. Es war egal, wo das Gegenüber bei der nächsten Wahl sein Kreuzchen setzt, solange man eine gute Zeit zusammen hat. Das ändert sich, je älter wir werden. Statt Bierbank-Gegröle gibt es Rotwein-Gespräche. Die eigenen Lebensentwürfe rücken in den Vordergrund und werden zum Filter bei der Freundschafts-Wahl.
👉 Orts- und Berufswechsel erschweren die Vernetzung: Zwischen Elternhaus und eigener Sesshaftigkeit rückt bei vielen eine Zeit der ständigen Veränderung. Man springt von Ort zu Ort, von Job zu Job, von Freundschaft zu Bekanntschaft. Die persönlichen Beziehungen werden lose und unverbindlich. Bis am Ende nicht mehr viel übrig bleibt.
👉 Einsamkeit durch Digitalisierung: Grundsätzlich bieten digitale Tools eine großartige Möglichkeit, um Beziehungen aufrechtzuerhalten und neue Freundschaften zu schließen. Eine Fernbeziehung zu führen bedeutet heute etwas ganz anderes als noch vor 25 Jahren. Aber die Einfachheit des Kontakthaltens lässt uns auch schludrig mit unseren Freundschaften umgehen. Persönliche Treffen werden plötzlich nicht mehr so wichtig, ist man gerade zu beschäftigt, wird geghostet. Aus wöchentlichen Video-Calls werden Sprachnachrichten, werden Kurznachrichten, werden “Ach ich müsste ja mal wieder … ach ist ja auch egal”.
(Warum) brauche ich überhaupt Freunde?
Vielleicht gehörst du auch zu den Menschen, die sich nach der Arbeit lieber auf ihr Sofa lümmeln und sich die Decke über den Kopf ziehen. Den Feierabend mit anderen Menschen zu verbringen, klingt dann gar nicht so erstrebenswert. Gerade wenn man introvertiert, eigenbrötlerisch oder schüchtern ist, neigt man schneller dazu, Freundschaften als gar nicht so wichtig anzusehen.
Es gibt Menschen, die keine oder nur wenige Freunde brauchen. Ihnen reicht es, ihre wichtigsten Bezugspersonen um sich zu wissen. Und das ist auch völlig ok. Wichtig ist, dass man hier ehrlich zu sich selbst ist und sich nicht aus Trotz, Angst oder Überforderung für neue Freundschaften verschließt.
Welcher Freundschaftstyp bin ich?
Es gibt ganz unterschiedliche Arten und Weisen, wie man eine Freundschaft führt. Einige bevorzugen eine lange Freundesliste, aus der sie für ihren “Zweck” passende Kontakte auswählen können. Andere wollen lieber einige wenige, dafür aber sehr enge Beziehungen. Mach dir bewusst, was dir wichtig ist und wie du dich selbst in einer neuen Freundschaft erleben möchtest.
Was ist mir in Freundschaften wichtig?
Je nachdem, wer du bist und was du suchst, können dir in einer Freundschaft ganz unterschiedliche Dinge wichtig sein. Willst du mit einer guten Freundin tiefe Gespräche führen können, suchst du einen Kreis für gemeinsame Unternehmungen oder willst ganz bestimmte Interessen teilen? Welche Gemeinsamkeiten sind dir wichtig, spielt die räumliche Entfernung eine Rolle oder das Alter? Die Antworten auf all diese Fragen liefern dir einen ersten Anhaltspunkt, wo du dich auf die Suche begeben solltest.
Warum suche ich überhaupt neue Freunde?
Hast du alte Freundschaften verloren, bisher nie wirklich enge Freund:innen gehabt oder willst du durch neue Bekanntschaften einfach Veränderung in dein Leben bringen? Der Grund für deine Suche hilft dir dabei, den richtigen Weg zu neuen Bekanntschaften zu wählen. Tust du dich beispielsweise grundsätzlich schwer damit, Kontakt zu halten und verlierst bestehende Freundschaften deshalb immer wieder, dann sollte dein Fokus auch darauf liegen, wie du deine neuen Freundschaften auch langfristig halten kannst. Begib dich auf Ursachenforschung, um mehr Klarheit für deine individuelle Situation zu gewinnen.
Wie soll die neue Freundschaft in der Praxis aussehen?
Freundschaften können im Alltag ganz unterschiedliche Formen annehmen. Werde dir bewusst, welche Rolle eine Freundschaft in deinem Leben spielen soll. Bedenke dabei bspw. die Häufigkeit des Kontakts, die Entfernung zueinander, welche Unternehmungen man gemeinsam tätigen könnte und welche anderen Menschen in deinem Leben (Partnerschaft, Kinder, …) möglicherweise einbezogen werden sollen. Vielleicht deckst du bei der Beantwortung dieser Frage auch Widersprüche zwischen deinen Vorstellungen und deinem realen Alltag auf. Dann solltest du womöglich erst dein Leben umstrukturieren, um gute Bedingungen für neue Freundschaften zu schaffen.
Wie kann ich als introvertierter Mensch neue Freunde finden?
Nun aber zur eigentlichen Frage dieses Beitrags: wie finde ich denn neue Freunde? Nicht alle Tipps, die im Internet kursieren, sind auch für introvertierte Menschen geeignet. Wir brauchen längere Zeit, um uns auf andere Menschen einzulassen und wirken anfangs eher distanziert. Zudem können wir uns in großen Gruppen nicht so gut “durchsetzen” und laufen schneller Gefahr, nicht wahrgenommen zu werden. Viele Introvertierte tun sich zudem mit Smalltalk schwer. Mal eben eine Bekanntschaft bei einem Plausch über den Gartenzaun abzuschließen, ist also auch nicht der beste Weg.
Die folgenden Tipps sollen dir helfen, die passenden Orte und Möglichkeiten für dich zu entdecken, um neue Bekanntschaften zu machen und Freundschaften zu schließen. Als introvertierter Mensch bieten sie dir die nötigen Bedingungen, um auf deine Weise Menschen kennenzulernen, ohne dich unwohl und in eine bestimmte Richtung gedrängt zu fühlen.
🤝Entwickle Freundschaften durch wiederkehrende Situationen
Wir Intros sind nicht die besten darin, Menschen direkt beim ersten Eindruck von uns zu überzeugen. Unser zurückhaltendes Verhalten wird häufig als distanziert oder sogar arrogant interpretiert. Deshalb sind wiederkehrende Ereignisse mit den immer gleichen Menschen für uns gut geeignet, damit ausreichend Zeit bleibt, uns besser kennenzulernen.
Beispiele: Sportvereine mit wöchentlichem Training, Volkshochschulkurse, Arbeitsgruppen
🤝 Lerne Menschen kennen, die ebenfalls auf der Suche sind
Es gibt sehr viele Menschen, die auf der Suche nach neuen Freundschaften sind. Mittlerweile gibt es einige Apps und Websites, die die Möglichkeit bieten, mit ihnen in Kontakt zu treten. Anhand der persönlichen Profile findest du sicher auch jemanden, der oder die zu dir passt. Und was mich besonders freut: immer öfter entdeckt man das Wort “introvertiert” in den Profilen. 🙂
Beispiele: Meetup, Bumble, Facebook-Gruppen
🤝Lerne Menschen in deiner Interessens-Community kennen
Ein gemeinsames Interesse ist ein idealer Einstieg in eine Freundschaft. Nicht nur, dass man zukünftig die Möglichkeit hat, dem Interesse gemeinsam nachzugehen. Man hat auch direkt ein Gesprächsthema für die Kennenlernphase. Überlege dir, wo du Menschen treffen könntest, die deine Interessen teilen. Das kann online sein, oder auch vor Ort.
Beispiele: ein Buchclub, eine Convention, eine Vortragsreihe, ein Online-Forum
🤝Besser Machen als Reden
Im Tun fällt es leichter, mit fremden Menschen in Kontakt zu treten. Kein peinliches Schweigen, kein hektisches Suchen nach einem möglichen Gesprächsthema. Ist man beschäftigt, wird das Kennenlernen zur Nebensache. Gerade wenn man eher schüchtern ist, könnte dies der entspanntere Weg sein, neue Freundschaften zu schließen.
Beispiele: Ehrenamt, Strickkurs, Müllsammelaktionen, Nebenjob
🤝Freunde dich mit Bekannten an
Manchmal liegt das Gute so nah. Vielleicht mangelt es dir an Freunden, aber du hast um dich herum jede Menge Bekanntschaften, die du bisher einfach noch nicht vertieft hast. Geh doch mal die Menschen in deinem Umkreis durch – ist da vielleicht jemand, der auch für eine Freundschaft passen könnte? Gerade bei der Arbeit tummeln sich häufig Gleichgesinnte, die man noch gar nicht auf dem Schirm hat.
Beispiel: Arbeitskolleg:innen, Nachbar:innen, Eltern der Freund:innen deiner Kinder
🤝 Treffe Freundesfreund:innen
Wer deine Freund:innen mag, wird doch wohl auch dich mögen. Sei offen in deinen bestehenden Freundschaften, sag, dass du gerne neue Menschen kennenlernen willst. Bestimmt nehmen deine Freund:innen dich gerne zu einem gemeinsamen Treffen mit Freundesfreund:innen mit.
Beispiel: Begleitung zu einer Party, gemeinsame Kochabend, Trödelmarktbesuche
Als erwachsener Mensch wird es zunehmend schwerer, neue Menschen kennenzulernen und echte Freundschaften zu schließen. Gerade Introvertierte müssen einiges an Überwindung und Antrieb hervorbringen, um sich neue Freundeskreise zu erschließen. Mach dir bewusst, was dir für deine neuen Freundschaften wichtig ist, welche Umstände sich in deiner aktuellen Situation womöglich vorher ändern müssen und welcher Weg zu neuen Bekanntschaften sich für dich am besten anfühlt. Es gibt viele, denen es genauso geht wie dir. Du musst sie nur finden.